Ich kann schneidern 456-458 1908

II. Wie schneidert man ein Korsett?

Ein Korsett anzufertigen ist ziemlich schwierig, aber selbstgefertigte Korsetts haben trotz ihrer Billigleit den Vorzug der allerteuersten, dass sie nemlich der Figur angepasst werden. Man Kann hierbei leicht manche Unbequemlichkeit entfernen, die man bei der nach Normalfiguren gearbeiteten, fertig gekauften Ware störend empfand.

Als Material zur Herstellung eines Korsetts ist feiner und dichter, satinierter Drell zu empfehlen, der haltbar und bequem zu reinigen ist. Sonst aber erfreuen sich die porösen Stoffe, die sogenannten Sitterstoffe, grosser Beliebheit; sie sind bei aller ihrer Leichtigkeit dauerhaft und vom hygienischen Standpunkt aus jedenfalls allen andern vorzuziehen. —— Terner gebraucht man Stäbe, ein Blanchet und Schnürösen als weiteres Material. Stäbe aus echtem Fischbein sind am besten, aber auch am teuersten und man behilft sich beim ersten Versuch mohl lieber mit polierten Stahlstäben, unter denen besonders die federnden, spiralförmig jeder Biegung der Figur, ohne zu brechen nach, und find daher hauptsächlich über den Wölbungen der Hüften sehr praktisch.

Mit Abb. 940-943 zeigen wir die verkleinerten Schnittübersichten eines gut sitzenden Korsetts, das sich im Zuschneiden geübte Damen wohl hiernach aufstellen können. Weniger Geübten aber raten wir, sich lieber einen fertigen Schnitt aus Ullsteins Schnittmuster-Atelier zu beschaffen. man die Taillen-, Oder- und Hüftweite des Schnittes als richtig, d. h. etwa 3-5 cm enger als die des Körpers, festgestellt hat, die Teile mit geringer Nahtzugabe zu und heftet sie mit kleinen Stichen, die Nähte obenauf gekehrt, zusammen. An den Rückenteilen ist gleich die Schnürvorrichtung und an den vorderen Rändern das Blanchet anzubringen, damit man eine korrekte Anprobe vornehmen kann. Wie diese Arbeit auszuführen ist, lehrt der Blick auf ein vorhandenes Korsett. Gewöhnlich steppt man den rückwärtigen Rändern einen breiten Stoffsreifen gegen, den man der Länge nach zweimal derart durchsteppt, daß in seiner Mitte ein Raum für die Schnüröfen, an beiden Seiten einer für das Einschieben von Stäben entsteht. Zunächst schlägt man die Oesen ein und bringt dann die Stäbe an, die an den Enden befestigt werden, ohne baß man sie stramm zieht. —— Um die Blanchets zu befestigen, schneidet man zur Bekleidung der Blanchetteile zwei der vorderen Korsettlänge entsprechende Stoffstreifen, die man je der Länge nach zusammenlegt; dann tut man die Blanchetteile hinein, so daß die Stoffränder nach rückwärts gekehrt find und brückt die Oesen und Knöpfchen durch den Stoff. Hierauf schiebt man die vorderen Korsettränder zwisch die Bekleidung der Blanchetteile, um sie sestzusteppen. Man kann aber auch entsprechend Korsetträndern innen gegensetzen, jedoch sie nur am rückwärtigen Rand feststeppen. Dann find die Blanchetteile zwischen die Streifen und die Vorderen Schnittränder nach innen einschlägt und mit sehr dichten, übergreifenden Stichen und starkem Zwirn zusammennäht. Die Oesen des Blanchets bleiben dabei frei, die Knöpfchen werden durch den Stoff gedrückt. Bei porösen Stoffen hat man für diese Besatzstreifen, ebenso auch für die Streifen, die Stäbe haften, Satin oder einen anderen festen Stoff zu verwenden.

Nun kann die Anprobe stattfinden, wobei auf einen faltenlosen, bequemen Sitz zu achten ist. Bilden sich irgendwo Falten, so ist das ein Zeichen, daß der Schnitt der Figur nicht genau entspricht, und man soll sich dann nicht auf die gute Wirkung der Stäbe verlassen, sondern bei der Anprobe den Fehler beseitigen. Meist werden diese Falten durch zu starke Schweifung in der Taillenlinie oder durch zu knappe Hüftweite hervorgerufen und sind durch Nachlassen der betreffenden Nähte fortzubringen. Ueber der Brustwölbung muß die Weite reichlich, jedoch nicht zu groß sein, da sonst beim Tragen des Korsetts sich sehr unbequeme Falten einstellen.

Nach der Anprobe ist dann das korsett zusammenzunähen. Die Nähte werden in den Biegungen mit Einschnitten versehen, ausgestrichen und festgesteppt. Dann hat man über den Näähten, an den breiten Teilen auch noch in der Mitte längs der Teile schräge Stoffstreifen zum Halten der Stäbe aufzusteppen. Viele steifen nur vorn, seitlich und rückwärts je eine Naht mit Stäben, die übrigen mit fester, jedoch nicht zu starker Schnur, die in 3-4 Reihen dicht nebeneinanderliegend unter einem Schrägstreifen aufgesteppt wird. Die Nähte der Brustteile hat man ebenfalls mit Schnur zu steifen, ebenso die der Hüftkeile, die für starke Hüften oft erforderlich sind.

Die Stäbe werden vielfach mit lang ausgreifenden Zierstichen aus Seide, die nicht den Stab, sondern nur an seinem Abschluß die doppelte Stofflage fassen, festgehalten, oder man hält sie auch durch ein paar Steppstiche. Praktisch ist es, an starken Hüften die Hüftstäbe durch kleine, dem Steppstreifen eingefügte Schlitze einzuschieben, damit sie öfter erneuert werden können; denn bekanntlich nehmen die Stäbe des Korsetts beim Tragen nach und nach die Wölbungen des Körpers an, wodurch sie die starken Linien oft noch hervorheben. In diesem Falle müssen die Stäbe durch neue ersetzt werden. Schließlich find dann die oberen und unteren Ränder des Korsetts mit festem Leinenband einzufassen; der obere ist beliebig zu garnieren.

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